Ivana Horbec, “Lingua monarchica an der Peripherie. Die Rolle der deutschen Sprache im politischen und sozialen Leben Kroatiens im 18. Jahrhundert”
New volume of the yearbook of Federal Institute for Culture and History of the Germans in Eastern Europe, Jahrbuch des Bundesinstituts für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa, is devoted to the theme “Language” and presents a broad set of issues based on German as spoken in Eastern Europe and its past and present interrelationships with neighboring languages as well as its significance for politics, culture, and society. A part of the research conducted within the framework of the project “From Proto-Modernisation to Modernisation of Croatia’s School System” was presented here by Ivana Horbec.
Contents:
Jörg Meier: Vorwort
Hermann Scheuringer:
Einst privilegiert, dann geächtet, nun wieder geschätzt oder nur genutzt? Status und Perspektiven des Deutschen in Ostmittel- und SüdosteuropaIvana Horbec:
Lingua monarchica an der Peripherie. Die Rolle der deutschen Sprache im politischen und sozialen Leben Kroatiens im 18. JahrhundertElisabeth Knipf-Komlósi, Marta Müller:
Zwischen Vitalität und Aufgabe. Dynamische Aspekte in der Sprache der deutschen Minderheit in UngarnAgnes Kim, Stefan Michael Newerkla:
Das Paradox der Toleranz. Sprachliche Nationalisierung des Mittelschulwesens in Böhmen und Mähren im langen 19. JahrhundertStefaniya Ptashnyk:
Deutsch im Bildungswesen Lembergs zwischen 1905 und 1925Csaba Földes:
Xenismen in der auslandsdeutschen Pressesprache. Reflexionen anhand der Moskauer Deutschen ZeitungEgita Proveja:
Die Rigasche Hausfrauen-Zeitung 1884–1906. Inhalte und Textsorten. Eine Studie zur deutschbaltischen MediengeschichteIrena Bogoczová, Kai Witzlack-Makarevich:
Die Westteschener Mundart der autochthonen polnischen Minderheit im Teschener Schlesien (Tschechische Republik)Gerd Hentschel:
Das Schlesische: Weder Dialekt noch Sprache?Ákos Bitter, Ingrid Hudabiunigg, Robert Marchl:
Spracherhalt und Sprachumstellung bei der deutschsprachigen Bevölkerung in Tschechien und Ungarn. Ein historischer und soziolinguistischer VergleichAnja Wilhelmi:
Sprache als Kommunikationsform und -hindernis im deutschbaltischen Adel. Von der französischen Lingua franca zur deutschen RegionalspracheBoris Blahak:
Jiddisch für ,Westjuden’. Franz Kafkas Spracherwerbstheorie des Jiddischen – ein sprachbiographisches ExperimentJan Kubica:
Doppelsprachigkeit bei Ota Filip – zwei Identitäten?
Projektbericht
Katharina Dück:
Zum Zusammenhang von Sprache und Identität von Kaukasiendeutschen unter besonderer Berücksichtigung ihrer Sprachkompetenzen im Deutschen
More information on the issue:
Abstract of the paper “Lingua monarchica an der Peripherie. Die Rolle der deutschen Sprache im politischen und sozialen Leben Kroatiens im 18. Jahrhundert”:
Obwohl Deutsch schon seit Beginn der Herrschaft des Hauses Habsburg 1527 in der kroatischen Verwaltung und Gesellschaft präsent war, insbesondere durch die militärische Verwaltung und in militärisch-wirtschaftlichen Angelegenheiten während jahrhundertelanger Kriege gegen das Osmanische Reich, verstärkte sich sein Gebrauch während des 18. Jahrhunderts, in dem sich die habsburgische Macht im Gebiet Kroatiens mit vielen Reformen festigte, die auf die Schaffung von protomodernen staatlichen Strukturen abzielten. Diese Reformen führten zu wesentlichen Veränderungen der sprachlichen Praxen im politischen und öffentlichen Leben Kroatiens. Kroatisch war die Muttersprache der Mehrheit der Bevölkerung und des Adels als „des politischen Volkes“. Daher ist es gerechtfertigt anzunehmen, dass Kroatisch im öffentlichen Bereich am meisten in Gebrauch war. In den Verwaltungsangelegenheiten und im Schulwesen der frühen Neuzeit finden wir aber fast ausschließlich Latein, das auch in der Schriftsprache (Briefwechsel, Wissenschaften, Literatur) überwog. Die Tätigkeiten der politischen und intellektuellen Elite waren im ganzen Ungarischen Königreich viel tiefer vom Gebrauch des Lateins durchdrungen als dies im Rest der Habsburger Monarchie und letztendlich im übrigen Europa der Fall war. Obwohl Ungarisch die Muttersprache des größten Teils des ungarischen Adels war – zu dem im politischen Sinne auch der kroatische Adel zählte, und obwohl ein Großteil der kroatischen Adelsfamilien – insbesondere der Magnatenfamilien – ungarischer Herkunft und das Lernen der ungarischen Sprache Teil ihrer Ausbildungsstrategien war, stellte Latein beim Adel eine lingua communis dar, nicht nur als Verständigungsmittel, sondern auch zur Sicherung der Gleichberechtigung bei der Teilnahme an gemeinsamen Regierungsinstitutionen und somit an politischen Entscheidungsprozessen. Der öffentliche Bereich war hier daher betont latinisiert, obwohl sich in die Reinheit der lateinischen Sprache oft lokale Ausdrucksweisen mischten. Hinzu lernte der gebildete Adel regelmäßig Französisch oder Italienisch und gebrauchte diese Sprachen in seiner privaten Korrespondenz. Im 18. Jahrhundert und insbesondere gegen dessen Ende maß man in einem solchen sprachlichen Umfeld der deutschen Sprache eine immer größere Bedeutung bei. In den Quellen aus dem kroatischen Gebiet kam Deutsch immer öfter als Sprache vor, mittels derer die gesellschaftliche Elite ihren Kosmopolitismus, aber auch ihre politische Macht zeigte, hinter der der Wiener Hof stand. Im Einklang mit starken Integrationsprozessen in der Monarchie ging Deutsch daraufhin in die Schulen und auch in die Verwaltung ein – zunächst indirekt in die Schriftentwürfe und interinstitutionelle Geschäftskommunikation, bis es schließlich von 1784/1786 bis 1790 (erfolglos) zur Verwaltungssprache erklärt wurde. Während des ganzen Zeitraums blieb Deutsch ein Symbol – der Zugehörigkeit zu einem gesellschaftlichen Kreis, der Bildung, der Übernahme aufklärerischer Ideen, nicht zuletzt aber auch der absolutistischen Herrschaft. Ziel dieser Arbeit ist es, die Umstände vorzustellen, die die Präsenz der deutschen Sprache im gesellschaftlichen und politischen Leben Kroatiens im 18. Jahrhundert beeinflussten, ihre Gebrauchspraxis zu analysieren und Muster und Motive für die Auswahl des Deutschen als Fremd- und als Kommunikationssprache zu ermitteln. Mittels überlieferter Korrespondenz, gesellschaftlich-politischer Abhandlungen, literarischer Werke und Verwaltungsschriften versuche ich die Rolle der Deutschkenntnisse für Laufbahnen oder gesellschaftlichen Einfluss von Einzelnen und die Rolle des Deutschen bei der Übermittlung von Ideen und bei gegenseitigen kulturellen Verflechtungen darzustellen. Des Weiteren versucht man, die Motive des Wiener Hofes für seine Förderung des Erlernens und Gebrauchs der deutschen Sprache, den Einfluss der steigenden Bedeutung der deutschen Sprache auf Ausbildungsmodalitäten und letztendlich die Fälle zu beleuchten, wo der Gebrauch des Deutschen zu einer politischen Frage wurde.